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The Data Debt: Warum die österreichische Industrie auf Zombie-Code läuft

Wir träumen von Künstlicher Intelligenz, aber unsere Datenbanken sind ein Fall für Archäologen. Eine Analyse der technischen Insolvenzverschleppung.

17. Dezember 2025
4 min Lesezeit

Wenn man auf den Innovationstagen der Industriellenvereinigung zuhört, klingt alles ganz wunderbar. Da wird von "Digital Twins" geschwärmt, von "Predictive Maintenance" und "Self-Healing Supply Chains". Die Powerpoints sind hochglanzpoliert, die Visionen sind schlüssig. Aber wenn man dann die Bühne verlässt und mit den IT-Leitern dieser Vorzeigeunternehmen in den Keller geht – metaphorisch und oft auch physisch –, dann betritt man ein Museum.

Dort unten läuft die Realität. Und sie läuft oft auf einem IBM AS/400 System, das angeschafft wurde, als Falco noch in den Charts war.

Wir haben in Österreich ein massives Problem, über das niemand spricht, weil es extrem unsexy ist. Es ist das Problem der Technical Debt, der technischen Schulden. Unsere Hidden Champions, diese stolzen Weltmarktführer aus der Provinz, laufen auf "Zombie-Code". Das sind Systeme, die eigentlich tot sind – nicht mehr supportet, technologisch veraltet, inkompatibel mit allem Modernen –, die aber durch eine bizarre Mischung aus Gewohnheit, Angst vor Veränderung und fragilen "Workarounds" am Leben erhalten werden.

Das ist keine "bewährte Tradition" und auch kein "Never change a running system". Das ist technische Insolvenzverschleppung.

Das Drama beginnt meistens dann, wenn der Geschäftsführer auf einer Konferenz gehört hat, dass man jetzt "was mit KI" machen muss. Er kommt zurück, ruft den CTO und fordert eine KI-Strategie, um die Produktionsdaten auszuwerten. Und der CTO wird bleich. Warum? Weil er weiß, dass es diese "Daten" in der Form, wie der Chef sich das vorstellt, gar nicht gibt.

Wir sind Weltmeister im Datensammeln. Unsere Maschinen protokollieren alles. Temperaturen, Drücke, Stückzahlen. Aber wir speichern diese Daten in Silos, die so hermetisch abgeriegelt sind wie ein Banksafe. Das ERP-System spricht nicht mit dem CRM. Die Produktionsstraße spricht nicht mit der Lagerverwaltung. Und die Finanzbuchhaltung ist eine Insel der Seligen. Um diese Systeme zu verbinden, wurden über zwanzig Jahre hinweg hunderte kleine Schnittstellen programmiert – oft von externen Dienstleistern, die es längst nicht mehr gibt. Das Ergebnis ist ein Schnittstellen-Spaghetti, in das sich niemand mehr hineintraut. Wenn man an einem Ende zieht, bricht am anderen Ende der Prozess zusammen.

Die größte Lüge, die wir uns erzählen, ist, dass die EU mit ihrem "AI Act" oder die Datenschutzgrundverordnung unsere Innovationsbremse sei. Das ist eine bequeme Ausrede.

Die wahre Bremse ist unsere eigene Daten-Hygiene. Wir sind digitale Messies. Wir horten Datenmüll, unstrukturiert, unbereinigt, doppelt und dreifach, in Formaten, die keine moderne KI lesen kann. Eine KI ist wie ein Hochleistungsmotor. Wenn Sie da Rohöl reinkippen, das voller Sand und Wasser ist, explodiert der Motor nicht – er springt erst gar nicht an. Bevor wir KI trainieren können, müssten wir erst einmal Jahre damit verbringen, unsere Datenbanken zu putzen. Aber für "Data Cleaning" gibt es keinen Bonus und keinen Applaus vom Aufsichtsrat. Das ist Kärrnerarbeit. Also lassen wir es.

Stattdessen bauen wir den "Excel-Frankenstein".

Das ist das Symptom der Krankheit. Weil die Kernsysteme starr und veraltet sind, bauen sich die Fachabteilungen ihre eigenen Lösungen. Da gibt es dann die "Master_Kalkulation_Final_v3.xlsx", in der die eigentliche Unternehmenssteuerung stattfindet. Riesige Tabellenmonster mit Makros, die nur die Frau Huber aus der Buchhaltung versteht. Wenn Frau Huber in Pension geht, nimmt sie den Schlüssel zur operativen Steuerung mit. Das ist Schatten-IT in ihrer reinsten Form. Wir digitalisieren nicht, wir elektrifizieren nur das Chaos.

Die Gefahr dabei ist nicht nur Ineffizienz. Es ist die strategische Handlungsunfähigkeit. Ein Unternehmen, das auf Zombie-Code läuft, kann nicht pivotieren. Es kann keine neuen Geschäftsmodelle adaptieren, weil jede Änderung am System Monate dauert und ein Risiko darstellt, das gesamte Kartenhaus zum Einsturz zu bringen. Während chinesische Konkurrenten ihre Prozesse in der Cloud per Mausklick neu konfigurieren, diskutieren wir in Österreich sechs Monate darüber, ob wir das Update für das Warenwirtschaftssystem riskieren können.

Wir müssen aufhören, Software wie Immobilien zu betrachten – als etwas, das man einmal baut und dann fünfzig Jahre lang abschreibt. Software ist eher wie Milch. Sie wird schlecht, wenn man sie stehen lässt.

Die Lösung ist schmerzhaft. Sie erfordert einen "Data Bankruptcy"-Ansatz. Wir müssen akzeptieren, dass ein Großteil unserer historischen Daten wertlos ist, weil er unlesbar ist. Wir müssen aufhören, Altsysteme mit noch mehr Schnittstellen zu beatmen. Wir brauchen den Mut zum "Greenfield"-Ansatz: Neben dem alten System ein neues, sauberes aufbauen und dann – an einem Stichtag – den Stecker ziehen. Ja, das kostet Geld. Ja, das tut weh. Aber die Alternative ist, dass wir irgendwann aufwachen und feststellen, dass wir zwar die besten Maschinen der Welt bauen, aber sie nicht mehr verkaufen können, weil wir sie nicht in die digitalen Lieferketten unserer Kunden integrieren können.

Die KI wird kommen. Aber sie wird nicht auf unseren alten Servern laufen. Wer seine "Data Debt" nicht begleicht, wird im Zeitalter der Algorithmen nicht mitspielen. Er wird nur zuschauen.

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